Acht Europameister-Siege und ein Kaffeeservice - Geschichte des deutschen Frauenfußballs

Johanna Grimm • Feb. 11, 2021

Was Du schon immer wissen wolltest - aber nie wissen konntest

Ein Kaffeeservice zum ersten Europameistertitel: Die DFB-Frauen trotzen den Klischees im Commerzbank-Spot. Hier: Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg, Kathrin Hendrich und Almuth Schult (re.)

Ⓒ www.commerzbank.de

 



SGS Essen gegen SV Meppen. Nach was das klingt? Einem Handball-Spiel in der Herren Bundesliga. Puh, im Grunde weiß ich gar nicht genau wo Meppen überhaupt liegt. Du auch nicht? Und ist es überhaupt ein Handball-Spiel? 


Nein, das ist es nicht. Diese Partie findet bisher in der Frauen-Bundesliga statt. Und Meppen liegt nahe der niederländischen Grenze. Komisch, dabei bist Du doch eigentlich auf einem guten Stand, was den Fußball in Deutschland und die Geographie angeht? Naja, das wird sich zeigen. Wie viel weißt Du über den deutschen FRAUENfußball? Welche Teams gibt es überhaupt? Und welche deutschen Vereine sind auf internationaler Bühne vertreten? Gibt es überhaupt auch eine Champions League für Frauen? 


Fragen, Fragen, und nichts als Fragen. Das wird sich ändern. Denn wir haben die Antworten. Um den deutschen Frauenfußball sichtbarer und akzeptierter zu machen, fangen wir mit den Basics an. Und die sind? 

Ganz genau, die Geschichte des Frauenfußballs. Kein Ding, wenn Du noch nicht viel darüber weißt, wie denn auch, wenn die Medien und die Gesellschaft es Dir nicht vor die Füße schmeißen und Du kaum was darüber erfährst. Genau das ändern wir. Gemeinsam tauchen wir ein in eine Historie voller Klischees, Vorurteile, vieler Erfolge und großen Persönlichkeiten. Bist du bereit? Los geht’s. 



1920er

Nach dem Ende des ersten Weltkrieges und zu Beginn der 1920er Jahre wächst der Frauenfußball in ganz Europa, vor allem in Frankreich und England. In Deutschland ist dieses Wachstum jedoch nicht zu verzeichnen, das Ganze versteht sich eher als ein „im Kreis stehen und den Ball herumspielen“. Dabei ist vor allem die gesellschaftliche Ablehnung des Frauenfußballs ein großer Teil des Problems. 



1922

Erstes organisiertes Fußballspiel der Frauen in Deutschland

Studentinnen spielen bei den deutschen Hochschulmeisterschaften Fußball

Zudem kommt das „Sportgirl“ immer mehr in Mode



1927

Erstes dokumentiertes Ergebnis eines Frauenfußball-Spiels (2:1) ohne Nennung der Vereine



1930

Gründung des ersten Frauenfußball-Klubs in Deutschland durch Lotte Specht: 1.DDFC Frankfurt 


Auf Grund von fehlender Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft und fehlender Konkurrenz im Sport kommt kurze Zeit später die Auflösung



1933-45

Verbot von Frauenfußball durch das Nationalsozialistische Regime 



1950er

Gründung mehrerer Frauenfußballteams in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) 



1954

WM-Sieg der Männer-Nationalmannschaft bringt Diskussionen um fehlenden deutschen Frauenfußball auf



30. Juni 1955

DFB-Verbot von Fußballspielen der Frauen

Dem Deutschen Fußball Bund (DFB) angeschlossenen Vereinen ist es untersagt eine Frauenabteilung und 

-mannschaft zu gründen


Die Begründung dazu: „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zuschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand“


Dennoch gründen sich weiterer Frauenteams, die nicht dem DFB unterstehen



1956

Erstes inoffizielles Länderspiel in Essen gegen die niederländische Auswahl im Essener Mathias-Stinnes-Stadion vor 18.000 Zuschauern



1956

Kaufmann Willi Ruppert gründet den Westdeutschen Damenfußballverband



17. März 1957

Zweites inoffizielles Länderspiel der Frauen im Dante-Stadion in München gegen Westholland



1958

Gründung der Deutschen Damenfußballvereinigung (bis 1965 finden ca. 150 inoffizielle Länderspiele statt)



1968

Gründung der ersten Frauenfußballmannschaft der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) 



1970 

50.000 Mitglieder des DFB sind Frauen



1970

Vier Spielerinnen der inoffiziellen Nationalmannschaft ( Doris Reeder, Veronika Kitter, Sonja Spielberger und Marliese Ewig ) zu Gast im aktuellen Sportstudio. Das Ganze ähnelt einer öffentlichen Bloßstellung!



31. Oktober 1970 - Gründung des deutschen Frauenfußballs

Der DFB hebt das Verbot von 1955 auf 

Mit den Ausnahmen: Keine Stollenschuhe, kleinere und leichtere Bälle, halbjährige Winterpause

Die Spieldauer beträgt zunächst 70 Minuten, dann 80 Minuten.



1971

Erster deutscher Verbandsmeister Deutschlands wird ermittelt: Initiative ergreift Hannelore Ratzeburg



1973

Erste inoffizielle deutsche Meisterschaft 



1974

Erste deutsche Meisterschaft der Frauen in Turnierform (bis 1990)



08. September 1974

Erstes Endspiel der deutschen Meisterschaft in Mainz vor 3.800 Zuschauern

Erster deutscher Meister ist TuS Wörrstadt



September 1974

Erstmals wird das Tor einer Fußballspielerin zum Tor des Monats gewählt 

Bärbel Wohlleben erzielte das sehenswerte Tor im Endspiel um die erste Meisterschaft



1975

215.000 Mitglieder des DFB sind Frauen



1977 – 1989

SSG 09 Bergisch Gladbach wird in 13 Jahren neun Mal deutscher Meister der Frauen



1977

Hannelore Ratzeburg wird DFB-Referentin für Frauenfußball in Deutschland

Sie veranlasst die Gründung zweier neuer Wettbewerbe im Frauenfußball: Länderpokal und DFB-Pokal



Ab 1979

Gründung einer DDR-Frauenfußballmeisterschaft „Bestenermittlung“



1981

Erster deutscher Pokalsieger der Frauen ist die SSG 09 Bergisch Gladbach



10. November 1982

Erstes offizielles Länderspiel der Frauen-Nationalmannschaft gegen die Schweiz in Koblenz unter Trainer Gero Bisanz 

Deutschland besiegt die Schweiz mit 5:1. Die damals 18-jährige Silvia Neid erzielt zwei Tore



1985

Gründung der Regionalliga West: Erste verbandsübergreifende Spielklasse



1986

DFB-Entschluss: Gründung einer Bundesliga für Frauen (dauert dennoch noch einige Jahre)



1988

Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft schafft die Qualifikation für die Europameisterschaft 1989 in Deutschland



1989

Erstes Frauenfußballspiel im LIVE-TV: Deutschland gewinnt im Halbfinale der EM gegen Italien



2. Juli 1989 - Europameisterinnen im eigenen Land 

Deutschland gewinnt im Finale 4:1 gegen Norwegen vor 23.000 Zuschauern im ausverkauften Stadion

Als Siegerprämie vom DFB erhält jede Spielerin ein Kaffeservice


Der EM-Sieg bedeutet beim DFB grünes Licht für die Gründung einer zweigleisigen

Frauen-Bundesliga zur Saison 1990/91



1990

Gründung der Oberliga Nordost in der DDR (Platz 1 und 2 qualifiziert für Bundesliga 1991/92)



1990

Erstes und einziges Länderspiel des Frauen-Nationalteams der DDR gegen die Tschechoslowakei 



Ab 1990 - Gründung der Frauen-Bundesliga

Frauen-Bundesliga findet in zwei Staffeln à zehn Teams statt 



14. Juli 1991 - Europameisterinnen 

Titelverteidigerinnen (zum insgesamt zweiten Mal)



1991

Erste Weltmeisterschaft im Frauenfußball wird in China ausgetragen (Deutschland belegt den 4. Platz)



1993

Zeitfestlegung auf zwei Mal 45 Minuten in Deutschland



26. März 1995 - Europameisterinnen

(zum insgesamt dritten Mal)



1995

Vizeweltmeisterinnen bei der Weltmeisterschaft in Schweden



1996

Frauenfußball wird zur olympischen Disziplin



7. Juli 1997 - Europameisterinnen  

 (zum insgesamt vierten Mal)



1997 

Gründung einer eingleisigen Frauen-Bundesliga mit zwölf Mannschaften

Eine Verkleinerung der Bundesliga auf nur eine Staffel mit insgesamt zwölf Teams bedeutet eine enorme Leistungssteigerung der Spielerinnen und Verein, mehr Trainingseinheiten und eine allgemeine erhöhte Professionalität



1997/98

Erster Meister der Frauen-Bundesliga: FSV Frankfurt



2000

Erste olympische Medaille: Bronze-Medaille für die deutschen Fußballfrauen 



7. Juli 2001 - Europameisterinnen im eigenen Land 

(zum insgesamt fünften Mal und dritten Mal in Folge)


Claudia Müller erzielte den Siegtreffer und zieht beim Jubel ihr Trikot aus

Am nächsten Tag war sie auf der Titelseite der Bild-Zeitung zu sehen mit der Überschrift: „So schön kann Fußball sein“



2001/02

Gründung des ersten Europapokal-Wettbewerbs (UEFA Women´s Cup)



Mai 2002

Der 1.FFC Frankfurt ist  erster Sieger des internationalen Wettbewerbs UEFA Women´s Cup



12. Oktober 2003 - Weltmeisterinnen 

Nia Künzer erzielte im Finale gegen Schweden den Siegtreffer zum 2:1


Deutschland ist somit die erste Nation, in der sowohl die Männer- als auch die Frauen-Nationalmannschaft den WM-Titel holen konnte 



2003

Nia Künzlers WM-Tor wird zum TOR DES JAHRES gewählt



2003 - 2005

Birgit Prinz wird drei Jahre in Folge als FIFA Weltfußballerin des Jahres ausgezeichnet 



2004

Olympia-Bronze



19. Juni 2005 - Europameisterinnen  

(zum insgesamt sechsten Mal und vierten Mal in Folge)



2005

Der 1.FFC Turbine Potsdam gewinnt UEFA Women´s Cup (zweites deutsches Team, das internationale Titel gewinnt)



2006

UEFA Cup Finale: Zwei deutsche Teams spielen erstmals im Finale gegeneinander

Der 1.FFC Frankfurt besiegt den 1.FFC Turbine Potsdam vor 13.000 Zuschauern, das Spiel wird live im ZDF übertragen



2006

Algarve Cup-Siegerinnen



30. September 2007 - Weltmeisterinnen  

(Titelverteidigerinnen)

Prämie für jede Spielerin nach dem Sieg der Weltmeisterschaft: 50.000 €

Prämie für die Qualifikation an das gesamte Team: 200.000 €



24. Mai 2008

Der 1.FFC Frankfurt ist an der Spitze des europäischen Frauenfußballs angelangt

Durch den dritten internationalen Sieg des UEFA Women´s Cup ist es bis dato die erfolgreichste Mannschaft in Europa


Zuschauerrekord im deutschen und europäischen Frauenvereinsfußball wird im Finale neu aufgestellt: 27.460 



2008

Olympia-Bronze



2009

Der FCR 2001 Duisburg gewinnt als drittes deutsches Team den UEFA Women´s Cup  vor 28.112 Zuschauern



10. September 2009 - Europameisterinnen  

(zum insgesamt siebten Mal und fünften Mal in Folge) 



2009/10

Gründung der UEFA Women´s Champions League (zuvor: UEFA Women´s Cup)



2010

Der 1.FFC Turbine Potsdam ist Champions League Sieger (bei Erstaustragung der Champions League)



2010

Silvia Neid ist Welttrainerin des Jahres im Frauenfußball



2011 - Weltmeisterschaft in Deutschland

Im Eröffnungsspiel zwischen Deutschland und Japan wird ein neuer Zuschauerrekord aufgestellt: 73.680 Zuschauer im Berliner Olympiastadion



2012/13

Der VfL Wolfsburg ist TRIPLE-Sieger unter Trainer Ralf Kellermann 



28. Juli 2013 - Europameisterinnen 

(zum insgesamt achten Mal und sechsten Mal in Folge)



2013

Nadine Angerer wird als FIFA Weltfußballerin des Jahres und UEFA Europas Fußballerin des Jahres ausgezeichnet



2013

Silvia Neid ist Welttrainerin des Jahres im Frauenfußball (zum insgesamt zweiten Mal)



2014

Nadine Keßler wird als FIFA Weltfußballerin des Jahres und UEFA Europas Fußballerin des Jahres ausgezeichnet



2014

Ralf Kellermann ist Welttrainer des Jahres im Frauenfußball



2013/14

VfL Wolfsburg erneute TRIPLE-Siegerinnen



2014/15

Der FC Bayern München wird deutscher Meister bei den Frauen und Männern in der gleichen Saison



2014/15

Der 1.FFC Frankfurt zum vierten Mal UEFA Women´s Champions League Siegerinnen



2016 - Olympiasiegerinnen in Rio de Janeiro 



2016

Silvia Neid ist Welttrainerin des Jahres im Frauenfußball (zum insgesamt dritten Mal)



Und nun, seien wir ehrlich, was wusstest Du schon über den deutschen Frauenfußball? Vielleicht manches, aber bei Weitem nicht alles. Doch wenn Du weiterhin interessante Beiträge lesen, alles Aktuelle über den deutschen Frauenfußball erfahren willst und mitwirken möchtest, dem Frauenfußball auch in Deutschland eine größere Bühne zu geben, dann bist Du hier genau richtig. Denn das ist erst der Anfang. 

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